Auf den Spuren der Biertraditionen in Europa

Prager Bierausschank Zur Tradition des Bieres gehört nicht nur die Braukunst - Geselligkeit und Freundschaft verstärkt den Genuss beim Konsum.
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Was für den einen der Wein, ist für die anderen das Bier: Tourismusregionen warten mit ihren alten Brauereien auf und laden ein, den Gerstensaft neu zu entdecken. Dazu braucht es allerdings einiges an „Vorbereitung“: Eine Jahrhunderte alte, lokale Biertradition. Sowas kann niemand einfach aus dem Boden stampfen. Wer diese Tradition hat, kann damit prahlen. Und plötzlich wird der Besuch in der Gaststube zu einer Kulturreise.

Das Bier ist Markenzeichen und lokale Spezialität

Unvorstellbar sind Reisen nach Budweis oder Pilsen ohne deren weltbekannten Gerstensaft direkt in der Brauerei zu kosten. Was wäre der Karneval im Rheinland ohne den alten Streit um Altbier oder Kölsch. Franken nennt sich selbstbewusst „Heimat der Biere“. Und allerorts boomen Hausbrauereien, in denen das lokal gebraute Bier auch gleich dort „verkostet“ wird. Das lokale Bier ist Marke und Tradition für die Region, in der es produziert wird.

Kleine Geschichte des Bieres

Bier gibt es schon lange. Bereits im Codex Hammurapi, einem Gesetzbuch aus Mesopotamien, rund 1800 Jahre vor (!) Christus, wurden Regeln zum Bierbrauen zum Gesetz. Ägypter, Römer, Kelten – auch in frühen Zeiten der Geschichte ließ man Getreide in Wasser gären und erhielt ein erfrischendes, leicht alkoholisches Getränk, das schnell verbraucht werden musste, weil es sonst schlecht wurde. Überall wo Bier gebraut wurde, entwickelten sich regionale Besonderheiten und Geschmacksrichtungen, an denen bis heute der Kenner die Herkunft eines Bieres erschmecken kann.

Deutsches Reinheitsgebot

Das Deutsche Reinheitsgebot für Bier aus dem Jahre 1516 gilt weltweit als eines der großen Qualitätsmerkmale für Bier. Festgelegt wurde damals, was ein Bier enthalten durfte: Hopfen, Malz und Wasser – sonst nichts. Damit sollte Lebensmittelqualität bereits im Mittelalter garantiert werden. Wie bis heute in vielen Ländern der Welt wurde dem Bier vorher in Deutschland auch allerlei Kräuter oder Gewürze für den Geschmack oder zur Haltbarmachung beigemischt – man konnte nie sicher sein, was wirklich drin ist im verkauften Gebräu. Und so wurden bereits im Jahr 1516 Qualitätsstandards festgelegt, die für Jahrhunderte die Bierqualität nicht nur in Deutschland garantierten. Wenn sich heute auch andere Getränke laut EU Erlass „Bier“ nennen dürfen, so kann man bei Bieren, die nach dem Reinheitsgebot gebraut sind, auch heute noch von echter, die Inhaltstoffe garantierender Qualität sprechen.

Die großen Bierländer

Auch wenn man es im ersten Moment nicht glauben mag: Das Land der Biertrinker ist nicht Deutschland sondern Tschechien. Nirgendwo weltweit wird mehr Bier pro Kopf getrunken als im Land von Pilsener Urquell und Budweiser (dem Original). Deutschland ist allerdings Spitze in der Produktion von Bier weltweit.

Die Bier-Kult(ur)Orte in Europa

In vielen Regionen von Europa ist man stolz auf das lokale Bier. Wer sich als Tourist auf eine Reise durch die Biertraditionen begeben will, weiß gar nicht so recht, wo er anfangen sollte.

München und das Oktoberfest

Alljährlich im September versammeln sich hunderttausende Besucher auf der Münchner Oktoberfest „Wiesn“ zu einem Event, der in Deutschland als „Oktoberfest“, im Ausland aber als „Fest des Bieres“ (z.B. Frankreich: „La fête de la bière“) bekannt ist. Beworben als „das größte Volksfest der Welt“ findet das Oktoberfest regelmäßig auf der Theresienwiese („Wiesn“) in der bayerischen Landeshauptstadt München statt. Unbestrittener Star des Oktoberfests sind die Festzelte der Münchner Brauereien Spatenbräu, Augustiner, Paulaner, Hacker-Pschorr, Hofbräu und Löwenbräu – und natürlich deren Bier.

Rituale wie der Einzugs der „Wiesnwirte“ und Brauereien oder der Fassanstich des jeweiligen Oberbürgermeisters geben der Wiesn eine Historie, neben der die über 80 Schaustellerbetriebe auf dem Fest zur Nebensache werden. Auf dem Oktoberfest sind die Münchner Brauereien Spatenbräu, Augustiner, Paulaner, Hacker-Pschorr, Hofbräu und Löwenbräu mit Festzelten vertreten. Laut Betriebsvorschriften des Festes darf nur Münchner Bier der Münchner Traditionsbrauereien, das dem Reinheitsgebot entspricht, ausgeschenkt werden. München ist in den Tagen der Wiesn komplett ausgebucht, wenn es an Unterkünfte geht. Wer ein Hotelzimmer oder gar eine günstige Ferienwohnung in München ergattern will, muss bereits ein Jahr (oder auch länger) im Voraus suchen und buchen.

Weltbekannte Brauhäuser in München

Auch ohne Oktoberfest ist die bayerische Metropole einen Besuch wert. Für den Tagesbesuch bietet sich natürlich das weltbekannte Münchner Hofbräuhaus an, eines der ältesten Brauhäuser in München (Biermarke: Hofbräu). Die verschiedenen Münchner Biere kann man auch in den vielen Biergärten der Stadt probieren.

Brauereien in Oberfranken, der „Heimat der Biere“

Franken bezeichnet sich selbst als „Heimat der Biere“. Die fränkischen Gebiete in Oberfranken und Mittelfranken mit ausgeprägter Bierkultur haben dazu den Namen „Bierfranken“ – im Gegensatz zu den Weingebiete des Unterfränkischen „Weinfranken“. Oberfranken hat mit mehr als 200 Brauereien die höchste Brauereidichte der Welt.

Gemeinsam, aber auch die vielen Gemeinden und Unterregionen in Franken, vermarktet man die Bier(brau)tradition. So hat der Kur & Tourismus Service Bad Staffelstein den „Brauereiführer Bad Staffelstein“ herausgegeben. Neben einer Übersicht über die zehn Brauereien im Stadtgebiet von Bad Staffelstein liefert man darin Vorschläge für Wander- und Radtouren rund um die Gerstensaft-Manufakturen der Stadt. Im benachbarten Kulmbach heißt es „Hopfen und Malz – Kulmbach erhalt’s“. Die geschichtsreiche Stadt Kulmbach bietet Bier-Liebhabern eine nicht ganz bierernste musikalische Führung rund um das Bier der lokalen Brauereien.

Tschechisches Bier

Die weltbekannten tschechischen Biere gehören zu den besten Bieren der Welt - und zu den Bieren, mit den ältesten Traditionen. Rund 50 verschiedene Biermarken kennt man in Tschechien, dazu kommen gerade in letzter Zeit noch einige Minibrauereien mit angeschlossenem Schankraum, die sich allerdings "historisch" noch bewähren müssen.

Pilsen ist - wenn es um das Thema Bier geht - sicher die bekannteste tschechische Stadt: Hier wird das weltberühmte Pilsener Urquell gebraut. Kaum weniger lecker, aber etwas weniger bekannt ist die zweite große Biermarke in Pilsen - das Gambrinus. Beide Brauereien im Herzen der Stadt Pilsen kann man besichtigen, es gibt sogar ein Biermuseum. Und natürlich kein Restaurant und keine Kneipe in Pilsen ohne lokales Bier.

Auch Budweis (České Budějovice) ist eine Bierstadt: Deutsche Einwanderer gründeten bereits 1802 die Budweiser Bürgerbräu Brauerei, das Original Budweiser Budvar wird seit 1895 hier hergestellt. Das Pilsener Bier der Marke Budvar wird nach Originalrezept gebraut und in über 60 Länder der Welt verkauft - und darf nicht verwechselt werden mit der US-amerikanischen Marke von Anheuser Busch.

Bierbrauen in Tschechien war seit dem 12. Jahrhundert ein Privileg von ausgesuchten Städten und Klostern – und dort das Recht der freien Bürger. Die letzte Brauerei im Eigentum einer Kommune ist die DUDÁK-Brauerei in Strakonice, in der seit 1649 das „Dudelsack“-Bier gebraut wird.

Bier aus dem Kloster: Belgische Biere

Nicht erst seit der Lektüre von Asterix und Obelix weiß man(n), das die Belgier ihr Bier lieben. In kaum einem anderen Land gibt es so vielfältige Biersorten. Vor allem in den Klöstern Belgiens wurde traditionell Bier gebraut. Echtes belgisches Abteibier kann man bis heute zum Beispiel in der Brauerei Abtei Val-Dieu bei Aubel genießen – in der Versperstube oder bei einer Brauereibesichtigung. Obwohl auch in Belgien ein großes Sterben kleiner Brauereien anhält, gibt es immer noch rund 140 belgische Brauereien, die zusammen etwa 1000 verschiedene Biere herstellen (einige nur saisonal).

Eine der vielen Spezialbiere ist das so genannte „Trappistenbier“. Das Trappistenbier ist ein durch oder unter Aufsicht von Trappistenmönchen gebrautes Bier. Die größten Brauereien für Trappistenbier in Belgien sind die Abtei Notre-Dame de Scourmont in Chimay, Provinz Hennegau und die Abtei Onze-Lieve-Vrouw van het Heilig Hart in Westmalle, Provinz Antwerpen.

Guinness, Kilkenny und Beamish – Exportschlager unter den irischen Bieren

Weltweit findet man sie in den irischen Pubs: Die bekannten irischen Biere Guinness, Kilkenny (eigentlich Smithwicks) und Beamish. Wichtigstes Erkennungsmerkmal neben dem Geschmack ist der geringe Kohlensäuregehalt der irischen Biere.

Deutschen Biertrinkern schmeckt das irische Bier oft nicht so sehr – was an Geschmack fehlt, wird aber durch die lebendige Pub-Tradition vielfach aufgehoben. Zur Kultur der „Irish Pubs“ gehören Live-Musik und Kommunikation, sie gelten nicht nur in Irland als wichtige Orte der Sozialisation in der Irischen Gesellschaft, also wichtige Orte des Gesellschaftlichen Lebens. Ein alljährliches Highlight sind die Irish Pubs zum St. Patrick’s Day am 17. März.

Wer Dublin besucht, der darf sich auf keinen Fall einen geführten „Pub Crawl“ entgehen lassen. Rund um die Fleet Street in Dublin finden sich zahlreiche Pubs mit Live-Musik.

Als Geheimtipps unter den Brauereien Irlands gelten die Privatbrauereien O’Hara’s Brewery in Bagenalstown und die Dungarvan Brewery in der Küstenstadt Dungarvan. Ein besonderer Leckerbissen für „Herr der Ringe Fans“ ist die Roadside Tavern & Brewery in Lisdoonvarna, die seit 1865 von Familienhand geführt wird. Hier – und in der näheren Umgebung rund um den Gortaclare Mountain - soll sich Tolkin seine Inspiration für seine Bücher geholt haben. Im gemütlichen Schankraum kann man sich gut vorstellen, wie die Geschichten zu den bierliebenden Hobbits entstanden sind.

Bier-Marken und Bier-Traditionen für das Tourismusmarketing

Lokale Touristiker wären dumm, nicht auf diese Marken und Traditionen beim Bier für ihr Tourismusmarketing zu setzen. Beispiele für erfolgreiche Strategien sind in Deutschland Touristenstraßen wie die Aischgründer Bierstraße und die Bayerische Bierstraße, die die touristische Vermarktung von Bier und Brauereien entwickeln.

Foto: Dago Wiedamann

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